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Picco

Picco



Deutschland, 2010
Genre: Drama
Regisseur: Philip Koch
Darsteller: Constantin von Jascheroff, Joel Basman

In einem bayerischen Jugendgefängnis ist Kevin ein Neuer, weshalb ihn alle Picco nennen. Sein Gefängniszimmer teilt er mit drei anderen Jugendlichen, die ihm erst einmal zu verstehen geben, dass er als frischer Häftling nichts zu melden hat und sich unterordnen muss. Nach einem verübten Selbstmord eines psychisch am Boden liegenden Strafgefangenen, mit dem Kevin in den ersten Tagen im Gefängnis freundschaftlichen Kontakt hatte, denkt er darüber nach, ob er keine Mitschuld an dem Suizid trägt. Sein Zimmerkollege Tommy gibt ihm jedoch zu verstehen, dass in der JVA jeder für sich selbst verantwortlich ist. Diese Logik wird von ihm später übernommen; er entwickelt sich von einem introvertierten, systemkritischen Jugendlichen zu einem Mitläufer, der selbst austeilt.

Die Suche nach dem Schlusslicht der Nahrungskette

Kommentar: Das Verstörendste an PICCO ist in meinen Augen weit weniger die unmenschliche Brutalität, die man in den letzten knapp 40 Minuten zu sehen bekommt. Es ist hingegen das Wissen um die Realitätsnähe des Filmprojekts, welche den Zuschauer deutlich mehr zermürbt. Nach unterschiedlichen wahren Missbrauchsfällen und einem nur schwer vorstellbaren Fall in der JVA Siegburg, bei dem ein Jugendlicher vergewaltigt und ermordet wurde, legte Nachwuchs-Regisseur Philip Koch eine spannende Geschichte über die Mechanismen der Gewaltausübung in Jugendgefängnissen an. Auch wenn die Bedingungen und hierarchischen Systeme in solchen Anstalten für jeden Unwissenden erahnbar sind, dürfte der Film niemanden kalt lassen - selbst dann nicht, wenn man ihn um die unerträgliche finale Peinigung kürzen würde. Geradewegs vermittelt der Film, was alles zum guten Ton in solchen Minisystemen gehört, nämlich Aggressivität, Anpassung und Anti-Homo-Rhetorik. PICCO spielt zwar jede Sekunde im Knast, ist aber nichtsdestotrotz mehr als nur ein intensives Porträt über die Sittenmerkmale in deutschen Jugendstrafvollzugsanstalten. Es geht im weiteren Sinne um die Problematik und die Absurdität männlich konnotierter Ausdrucksweisen, die in der Freiheit erlernt und in einem geschlossenen Raum wie dem Gefängnis bis zur perversen Übertreibung praktiziert werden können. In einem System wie dem Gezeigten geht derjenige unter, der sich als Schlusslicht der Nahrungskette herausbildet. Dabei werden unter Berücksichtigung geregelter Codes die Karten immer wieder neu gemischt, sodass praktisch jeder zum Opfer werden kann. In dieser Tatsache, die Philip Koch fast beiläufig und irgendwie überraschend bespricht, steckt ein unglaublich hässliches Grauen.

7/10

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