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Überfall der Ogalalla

Überfall der Ogalalla (Western Union)



USA, 1941
Genre: Western
Regisseur: Fritz Lang
Darsteller: Randolph Scott, Robert Young

Vance Shaw muss auf der Flucht sein Pferd laufen lassen, da es schon vom vielen Laufen ziemlich angeschlagen ist. Auf seinem Gang durch staubiges Gelände begegnet er einem schwer verletzten Mann und will zuerst sein Pferd stehlen. Doch dann entscheidet er sich dazu, dem Verletzten zu helfen. Das zahlt sich für ihn aus, denn der später Geheilte stellt sich als wichtiger Mann bei der Western Union heraus, die für die Telegrafen-Installationen verantwortlich ist. Er gibt Vance einen Job, der beim Aufbau der Leitungen helfen soll.

Die modernisierte Moral

Kommentar: Mit ÜBERFALL DER OGALALLA lieferte Fritz Lang einen beeindruckenden Western ab, der im Endspurt den fatalistischen Ton des Film noir anschlägt und im Vorbericht darauf einen Loyalitätskonflikt aufdeckt, der einen Mann, der endlich mit ehrlicher Arbeit sein Brot verdienen möchte, in eine Zwickmühle treibt. Ferner beleuchtet der Film die technologische Modernisierung der amerikanischen Staaten in Form der Verbreitung der Morsetelegrafie, wobei diese aufgrund der Angriffe feindlicher Guerilla-Truppen, die von den Konföderierten Staaten dazu angeheuert wurden, die Verlegung von Leitungen aufzuhalten, ständig in Gefahr ist, selbst wenn ihr vollständiger Einsatz nur eine Frage der Zeit darstellt. Damit illustriert der Film ebenso die höchst unzivilisierte Seite der Südstaaten und ihr hartnäckiges Widersetzen gegen etwas, das sowieso nicht mehr aufzuhalten ist. Wie schon in RACHE FÜR JESSE JAMES, zeigt Lang in diesem Farbfilm, dass er mit Western-Motiven sehr gut umgehen kann und dass er trotz vorgegebener Muster seine schöpferische Begabung keinesfalls beiseitelegen muss. Nur selten wirkt ÜBERFALL DER OGALALLA wirklich bedrückend, trüb oder melancholischer Vertiefung verpflichtet, selbstverständlich sind die gezeigten Umstände nicht restlos heiter und happy-go-lucky. Stattdessen wird das Vordringen und Vorstoßen in den Westen von einer schmackhaften Nuancierung getragen, die dem Zuschauer eine breite Palette an Facetten der Emotionalisierung präsentiert und dazu noch eine für eskapistische Zwecke unterhaltsame Anhäufung von kontextuell eigentlich widersprüchlichen Merkmalen bereitstellt.

Ein sich weit ausstreckendes, staubiges Terrain. Büffel unter freiem, blauem Himmel. Ein Reiter mit seinem Pferd, der einen Blick auf die Büffel wirft. Dann nach hinten. Scheinbar hat der Mann Verfolger hinter sich, die er abschütteln muss. Deshalb reitet er sofort nach der Entdeckung seiner Feinde geschwind durch die karge Landschaft, vorbei an den Büffeln, raus aus der Gefahrenzone, noch tiefer ins Nirgendwo. Da sein Pferd lauftechnisch anscheinend schon einiges durchmachen musste und sich nicht mehr weit von einer ernsthaften Verletzung befindet, lässt er es frei und geht allein zu Fuß weiter. Es lässt jedoch nicht lange auf sich warten, bis unser Tierfreund seinen Ruf als fürsorglicher Typ wieder verliert. Der Statuswechsel geht dabei mit einer widerrechtlichen Besitzergreifung einher, als er sich das Pferd eines anderen, schwer verletzten Mannes nimmt, der sich am Boden wälzt. Nach einem genauen Hinschauen gewinnt er die Sympathien jedoch abermals zurück. Anstatt mit dem gestohlenen Gaul geradewegs abzuhauen und sich endgültig von den Verfolgern abzusetzen, kommt er auf den Gedanken, dem Hilfsbedürftigen die Hand zu reichen. Er begleitet ihn bis zu einem Quartier eines Postdienstleisters, wo er den Fremden zurücklässt und verschwindet.

In diesem Anfangsteil lässt Hauptfigur Vance Shaw in einer hochgradig wichtigen Szene das eigentliche Ziel, nämlich seine Haut vor den Verfolgern zu retten, in den Hintergrund treten. Vance gibt an der Stelle das egoistische Ideal der eigenen Unversehrtheit auf, während er sich dafür dem körperlich am Boden liegenden widmet, um dessen Pein zu lindern und ihn außer Lebensgefahr zu bringen. Wenn man sich den Film bis zum Ende angesehen hat, ist man gar geneigt zu sagen, dass der Protagonist in dieser Handlung, die ihm selbst zuerst nicht ganz verständlich erscheint, eine neue Moral für sein Tun gefunden hat. Zu diesem Zeitpunkt ahnte er noch nicht einmal, wem er möglicherweise das Leben gerettet hat. Denn der Fremde stellt sich als Edward Creighton heraus, ein Geschäftsmann, der mit seiner Gesellschaft namens Western Union in Kürze mit dem Ausbau des Telegrafennetzes beginnen soll. Als Dank für den nicht selbstverständlichen Beistand heuert er Vance an, der bei der Reise von Omaha nach Salt Lake City, bei der Telegrafenmasten aufgestellt werden müssen, teilnimmt, was Vance als große Chance betrachtet, mit einem neuen Abschnitt in seiner Biografie starten zu können, und den alten Teil seines menschlichen Schaffens auf Distanz zu halten. Doch die Modernisierung der Moral kann ihn trotzdem nicht davor bewahren, in eine heftige Gewissensklemme zu geraten.

Denn auf der Reise nach Westen begegnen ihm alte Weggefährten, die sich als Indianer verkleiden und von feindlichen Guerilla-Truppen aus dem Süden angestellt wurden, um die Verlegung der Leitungen zu stören. Als Vance auf sie trifft, macht er klar, dass er auf der Seite der Western Union steht. Er ist sich sicher, dieses Mal für das Gute zu arbeiten. Doch anstatt das Geheimnis von den falschen Indianern seinen Vorgesetzten zu erzählen und über die wahren Drahtzieher hinter dem Rinderklau zu berichten, behält er die Informationen lieber für sich, um seine alten Partner nicht denunzieren zu müssen. Deshalb duldet er - nicht gerade froh über die divergenten Meinungen zwischen ihm und der feindlichen Gruppe - ihr Verhalten, bis zu dem Punkt, an dem die Zerstörungswut der beauftragten Schurken überhandnimmt. Doch dann ist es schon wieder zu spät und er stellt fest, dass er sowohl ziemlich naiv über das Verhältnis zwischen ihm und der Bande urteilte als auch ihre Maßnahmen und Wege zur Durchführung ihres Auftrags unterschätzte.

Von RACHE FÜR JESSE JAMES zu ÜBERFALL DER OGALALLA war mit Sicherheit kein kleiner Sprung für Fritz Lang, dessen Signatur im erstgenannten noch etwas anonymer war und mit Henry Fonda einen großen Star besaß, der in die Rolle von Frank James schlüpfte und Jagd auf die Mörder seines Bruders Jesse machte. RACHE FÜR JESSE JAMES spielt im Kosmos der Gesetzeslosen, liefert einige wunderbare Schattenspiele, geizt nicht mit dynamischen Reitszenen und flechtet trotz Geschichten über männertypische Auseinandersetzungen noch irgendwie einen Subplot über eine junge Journalistin ein, die sich den emanzipationsfeindlichen Wünschen des Vaters widersetzt. Mit ÜBERFALL DER OGALLA betrat Lang gewissermaßen wieder anderes Terrain, auch wenn beide Filme zum gleichen Genre gehören und gar nicht mal unähnliche Protagonisten besitzen. Dabei macht der ein Jahr später entstandene Film einen ambitionierteren Eindruck, was sowohl darauf zurückzuführen ist, dass die mangelnden Handlungsoptionen und die Loyalitätskonflikte des Protagonisten einen großen Reiz in der Geschichte setzen, als auch darauf, dass die optische Darstellung von Vernetzung und Zusammenführung mit ihrer Symbolik das Genreklischee der Weite umkurvt und dass sie auch sonst kaum nur als hübsche Aufmachung zu verstehen ist, dafür aber immer wieder eine Brücke zur amerikanischen Historie schlagen kann.

Das Skript von Robert Carson (EIN STERN GEHT AUF, DREI FREMDENLEGIONÄRE) macht einen sehr guten Eindruck, weil es zwischen tragischen, panischen und wüsten Augenblicken nicht mit Witzen spart und Slapstick gerne dort liefert, wo man eigentlich nicht mit rechnet. Dies kann man entweder nervig finden oder sich eben an Preston Sturges Humorvarianten erinnert fühlen und kräftig amüsieren. Da der Ritt nach Westen unentwirrbar mit dem Verhältnis des weißen Mannes zu den Indianern verknüpft ist, kann ein Blick auf die Zustandsbeschreibung der Gegenseitigkeiten nicht irrelevant sein. Dabei stellt man fest, dass der Indianer zwar ein ungebildeter und leichtgläubiger Mensch ist, er jedoch von Weißen manipuliert und in eine Abhängigkeit gedrängt wird, was in jener Sequenz zu beobachten ist, als ein schon scheinbar volltrunkener Indianer Alkohol von der Reisegruppe einfordert und sich nicht zurückhalten lässt. Auch das degoutante Spiel des Südens, die Indianer als Sündenböcke zu installieren, um den Aufbau des Telegrafennetzes ungestraft mit verbrecherischen Mitteln aufzuhalten, bleibt trotz seiner primären Funktion als Kommentar auf die Auseinandersetzungen zwischen Nord und Süd auch ein Verweis auf den unherzlichen Umgang des weißen Menschen mit indigenen Völkern.

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